Die ersten Tage meiner Ruandareise

Angekommen

Für Alle, die sich für meine Ruandareise interessieren schreibe ich hier meine Erlebnisse auf und informiere über die Weiterentwicklung und den Fortbestand der beiden Kinderhilfsprojekte. 

Nun bin ich erst 3 Tage hier und habe schon so viel erlebt! Trotz aller Corona-Maßnahmen habe ich es geschafft in Kigali, der Hauptstadt von Ruanda, zu landen. In nur 10 Jahren ist diese größte Stadt Ruandas zu einer modernen Metropole der Wirtschaft geworden mit Hochhäusern, großen Geschäftshäusern, breiten Straßen und gepflegten Anlagen im Zentrum. Raymond (s. Foto), der zeitlebens zuerst als Waise und dann als Mitarbeiter im Kinderheim in Cyotomakara mit Pater Simons gelebt hat, holt mich ab. Pater Simons Auto steht ihm für Fahrten mit Waisen und nun auch für mich weiterhin zur Verfügung. 

Petra, Pater Simons ehemaliges Waisenkind

In Kigali besuchen wir Petra. Sie lädt uns ein in ihrem modern eingerichteten Steinhaus inmitten einer ärmlichen Umgebung und erzählt von ihrem Leben mit Pater Simons. Ihre Mutter war als Kind in Pater Simons Mädchenheim in Ruhenzi, das von den Schwestern geleitet wurde. Sie zeigt mir ein Foto, das ihre Trauung durch den damals  30-jährigen Padre zeigt. Doch ihr Vater stirbt schon vor ihrer Geburt und so übernimmt die Mutter als Witwe die Betreuung von zehn Waisenkindern. 

Das war damals Pater Simons Konzept, die Witwen mit den Waisen zusammenzubringen. Petra wuchs so auch im Heim auf und erzählt bewegt, was sie ihm alles zu verdanken hat. „Er ist wie mein Vater und Großvater zugleich und ich habe ihm alles zu verdanken. Ich durfte studieren und arbeite heute zeitweise mit meinem Mann im Ministerium. Ich vermisse ihn sehr und denke jeden Tag an ihn“ Ich bin berührt und wir weinen Beide.

Covid19

Sobald Raymond und ich die Stadt verlassen sehe ich sehr einfache Lehmhäuser und Hütten, an den Strassenrändern gehen Menschen mit großen Gegenständen auf dem Kopf, Kinder in Schuluniform, Fahrräder als Lastenträger werden geschoben. Alle tragen Masken. Obwohl die Anzahl der Covid19 Infizierten sehr gering ist im Vergleich zu unseren Zahlen herrschen hier sehr strenge Massnahmen. Wir werden öfters von der Polizei kontrolliert, denn wir brauchten eine Sondergenehmigung um den District Kigali zu verlassen. 

Über eine sehr holprige Schotterpiste in Ruhenzi angekommen ist es dunkel, überall in der Weite auf den Hügeln sieht man ab und zu Lichter leuchten, ein Sternenhimmel und ein heller Mond über uns erleuchten etwas die Dunkelheit.

An Pater Simons Grab

Die Schwester haben gerade ihr Abendgebet  beendet und begrüßen uns mit Freude und einem herzlichen Willkommen. Drei Schwestern kenn ich noch von meinem letzten Besuch vor 3 Jahren, Sr. Bernadette, Sr. Francine und Sr. Marie Josè. Ich fühle mich wie nach Hause zu kommen. Todmüde schlafe ich unterm Moskitonetz in meinem kleinen Zimmer im Kloster ein und werde morgens vom Gesang der Vögel und der Schwestern beim Morgengebet geweckt. Es ist warm, die Sonne scheint, täglich zwischen 24 und 27 Grad ist es hier. Und alles wächst und ist so grün. Als erstes möchte ich Pater Simons Grab besuchen.

Er wollte nicht an der Kathedrale von Butare beerdigt werden sondern auf seinem Hügel in Cyotomakara, wo er schon mehrere seiner Kinder beerdigen musste. Ein schönes, würdevolle Grab hat man für ihn gestaltet (s. Foto). Die Benedktinerbrüder (s. Foto), die nun hier leben, laden Raymond, Ignace und mich  zu ihrem Gebet ein. Diese 10  jungen Männer haben hier für 2 Jahre ihre Vorbereitungszeit. Wir erzählen ihnen von der Geschichte dieses Ortes und was das Heim vielen hundert Kindern und Jugendlichen bedeutet hat, die mit Pater Simons lebten.

Geschichte über einen Waisen

In der Heimkapelle  erinnern wir uns beim Anblick einiger Löcher auf dem Betonboden an ein schlimmes Erlebnis, von dem  Pater Simons uns erzählt hatte. Ein ehemaliger Waise war Soldat geworden und hatte Drogen genommen. Er forderte Geld von Pater Simon. Als Padre ihm nichts geben wollte  erschoss er zwei Erzieher in der Kapelle, doch Pater Simons konnte sich verstecken. 

Hier seine Geschichte von Kisito im Originalton, die Pater Simons  vor zwei Jahren Julia und mir erzählte. Unglaublich, dass er ihm verzeihen und ihn zuletzt noch in seiner Aids-Erkrankung begleiten und auf seinem Friedhof beerdigen konnte. Hier neben dem Mörder wollte er beerdigt werden. 

Alles, was Pater Simons in den vielen Jahren hier angepflanzt hat, wächst so üppig und vielfältig. Er hatte die Natur und besonders Blumen so sehr geliebt, – es ist schön, dass sein Ort von den Brüdern weiter sehr gepflegt wird. Uns enttäuschte, dass die Brüder sich nicht um die Armen aus der Umgebung kümmern. Sie beten und arbeiten, aber sie bekommen kaum Geld um die bedürftigen Menschen zu helfen, so  wie Pater Simons es immer getan hat. 

An Pater Simons Wasserstelle treffen wir viele Frauen und Kinder, die oft weit gehen müssen um in ihren manchmal 20 Liter schweren Kanistern Wasser zu holen. Ich würde so einen Kanister nicht mal 100 Meter tragen können.

Sie freuen sich,  eine Muzungu  zu sehen und eine Freundin von Padre. Ich habe viele Fotos dabei von den Jahren im Heim und sie kennen viele der Kinder und Jugendlichen. Raymond verspricht, ihnen Fotos von Pater Simons zu kopieren und zu bringen. Ich spüre ihre Traurigkeit über den Tod von Padre. Jeden Tag beginne ich den Tag mit 10 jungen Mädchen, die von den Schwestern darauf vorbereitet werden, auch Schwestern zu werden. Ich singe mit ihnen einige meiner Lieder und sie sind begeistert, sie tanzen, trommeln, freuen sich. So wie sie gibt es viele junge Frauen und Männer in Ruanda, die in einen Orden eintreten möchten.

Ignace ist auch bei Pater Simons aufgewachsen. Er arbeitet im Nyanza im Hotel doch darf wegen Corona z.Z, nicht arbeiten. Er begleitet mich am 2. Tag in die Umgebung von Ruhenzi und wir besuchen einige der ehemaligen Waisen, die nun selbst eine Familie haben. Sie alle freuen sich sehr, Besuch von Pater Simon’s Bekannten zu bekommen und erzählen, was Padre und das Heim ihnen bedeutet und gegeben hat. Wo immer ich hinkomme kennt man Padre. Die meisten  Menschen gehen sonntags in die Kirche, wo Padre mit ihnen immer Gottesdienst feierte. Sie konnten zu ihm gehen, wenn sie Hilfe brauchten. Nun fehlt er ihnen. 

Kleine Hilfen

Ein schönes schüchternes Mädchen läuft ein Stück des Weges mit uns (s. Foto). Wir erfahren, dass sie nicht zu Schule gehen kann, da ihre Eltern sich getrennt haben und ihre Mutter mit den beiden Mädchen nun bei der Oma in der Lehmhütte leben. Der Vater finanziert nur das Schulgeld für die 2 Söhne, die bei ihm leben. Sie zeigt uns ihre ärmliche Hütte und ich lerne ihre Familie kennen. Es sind so nette,  freundliche, schöne Menschen.

Wir überlegen, was sie braucht, um wieder die Schule besuchen zu können: eine Schuluniform kostet ca 10.000 Rwfr, das sind 10 € für einen Rock, eine Bluse und einen Pullover. Neue Plastikschlappen (1,- €) und Hefte und ein Stift braucht sie auch. Wir gehen, gefolgt von einer Menge Kinder,  durch die Felder zur Schneiderin, die für sie eine Uniform nähen wird. Damit dieses Mädchen die Primärschule besuchen kann braucht sie  insgesamt 20,- € im Semester. Dank der Unterstützung meiner Freunde kann ich ihren Schulbesuch ermöglichen und sie ist sehr froh, denn sie möchte viel lernen.

Im Hof der Schwestern arbeiten sehr arme  Frauen. Ich sehe ihnen ihre Armut an. Ein krankes Baby liegt auf ein Tuch im Schatten, ihre Mutter reinigt die Bohnen von der Spreu, Die Oma bettelt um Geld. Die Schwestern meinen, es ist nicht gut ihr Geld zu geben sondern lieber Lebensmittel. So bringe ich mit Raymond  einen Sackreis und einen Kanister Speiseöl, Seifen und Nudeln zu ihrer Hütte. Viel mehr gibt es in dem kleinen Ort nicht zu kaufen. Ihre Dankbarkeit beschämt mich. 

So kann ich dank der Hilfe von meinen Singfreunden und meinen FreundInnen ab und zu einfach spontan ein bisschen helfen.  Nun bin ich in der Secondary school, hier gibt es WLAN und ich kann schreiben. Über die Entwicklung des Essensprojektes werde ich demnächst berichten. 

Ich grüße Alle in meiner Heimat, die an den Projekten interessiert sind. Es ist schön, hier ein bisschen von meinen Erlebnissen zu teilen.

Julia wird dafür sorgen, dass ihr alle 3 – 7 Tage aktuelle Berichte von meiner Ruandareise hier finden werdet. Murakose, Julia!

Murakose für euer Interesse!

 

Alwine

11 Antworten

  1. Da bin ich ja froh, dass du gut angekommen bist!
    … Und neugierig, wie’s weitergeht!
    Du hast bestimmt viele interessante Begegnungen!

    Liebe Grüße aus dem kalten, ungemütlichen Kelmis!

    Susanne

  2. Es gibt viele Engel ohne Flügel, einer davon bist DU, liebe Alwine!!
    Mit großem Interesse habe ich Deinen Bericht gelesen und die kleinen Videos auf mich wirken lassen! Die Kinder sind wirklich nett und mir gefallen ihre bunte Kleidung! Das satte Grün in der Landschaft auf einem Bild,, einfach schön!
    ich wünsche Dir viele schöne Erlebnisse, liebevolles Miteinander ,
    sei beschützt,
    Luise

  3. Hut ab , Alwine vor Deinem Mut und Dein Engagement , so ganz alleine in Coronazeiten nach Ruanda zu gehen und dort zu helfen.
    Wie befriedigend muss das sein .
    Alles Liebe ins bleib gesund !
    Ute

  4. Liebe Alwine,
    deine Erlebnisse, sind sehr beeindruckend. Scheinbar besteht fast normales Leben und absolute Armut so nah nebeneinander. Die Erzählung von Pater Simons zeigt wie glaubhaft er sein Leben lebt. Schön, dass du einige Menschen spontan unterstützt .Genieße das warme Klima und die wohltuenden Begegnungen.
    Ganz liebe Grüße
    Maria

  5. viele Engel ohne Flügel sind unterwegs und einer davon bist Du, liebe Alwine! Interessant, deine Schilderung der ersten Tage zu lesen! FRöhliche Kinder in bunter Kleidung,trotz Armut! Manches Video hat mich sehr berührt, danke dafür!;-)
    Weiter schöne Begenungen und viel Kraft wünsche ich Dir, alles Gute!;-)

    Luise

  6. Ich bin beeindruckt, liebe Alwine! Die kurze Zeit, die. Du dort bist, ist prall gefüllt mit so tief gehenden Erlebnissen!
    Schön, dass du ein bisschen helfen kannst. Und schön, dass du Freude hast.
    Liebe Grüße Hannelore

  7. Liebe Alwine
    Danke dass du uns an deinen mutigen Schritten teilhaben lässt und uns so beflügelst, dir nachzutun.
    Deine Bilder und Texte zeigen das, was wirklich wichtig ist- menschlich sein, Liebe zeigen. ♥️
    Sei gesegnet , liebe Grüße aus Freiburg unweit St. Ottilien,
    Odilie

  8. Liebe Alwine,
    deine Tatkraft, dein Mut und deine Liebe zeigen mir, wie sehr ich hier in meiner Welt manchmal in meiner Komfortzone verhaftet bin. Danke, dass du uns teilhaben lässt, auch an der Freude, die die Menschen dort oft so selbstverständlich ausstrahlen.
    Heute habe ich ein schönes Video mit 180 Sängerinnen in einer Schule, die du besucht hast gesehen und gehört.Einfach singen, wie schön!!!
    Ich wünsche dir noch viele warme Begegnungen und den Genuss des Miteinanders,
    Beate

Schreibe einen Kommentar

Alwines Ruandareise - Beiträge Januar 2021

Wöchentliche Berichtserstattung von den Hilfsprojekten in Ruanda